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Die Kunsthalle Bielefeld ist kaputt

Gestern haben wir die letzte Chance genutzt, die dann noch laufende Ausstellung „Whatness“ von Esther Kläs und Johannes Wald in der Kunsthalle Bielefeld anzuschauen. Leider.

Wer meinen Blogs und netzsozialen Umtrieben schon länger folgt, wird ahnen, dass ich dem Künstlerischen per se nicht abgeneigt bin. Es ist nämlich so: In mir tobt ein unbändiger kreativer Geist. Ein Biest, dass sich von Inspiration ernährt. Umso glücklich bin ich jedes Mal, wenn ich große Kunst und Künstler neu entdecke und dem Monster Fressen reichen darf. Gerne denke ich deshalb an Schulausflüge nach Köln zurück und die Besuche im Museum Ludwig. Ich weiß noch, wie ich voller Ehrfurcht vor den Gemälden von Dali oder Hopper gestanden habe. Wie ich der Faszination einer völlig in Cyan getauchten Leinwand von Yves Klein erlag. Das reine Betrachten und das folgende Eintauchen in diese Meisterwerke hat mir die Türen geöffnet, durch die ich bis ins Heute gegangen bin. Einen Weg, so großartig, dass ich mir immer sicher war, den auch meinen Kindern zeigen zu wollen, sobald sie alt genug dafür sind.

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Das beruhte dann letztlich auf Gegenseitigkeit.

Kommt Kinder, Kunst is in the town!

Deshalb ist es gut in einer Stadt wie Bielefeld zu leben, in der man das auch jenseits virtueller Ebenen wie Behance, Pinterest oder Abduzeedo regelmäßig tun kann. Eine Anlaufstelle war dazu für mich in der Vergangenheit oft und gerne die Kunsthalle Bielefeld. Einer meiner ersten wirklichen Blog-Beiträge, damals noch auf Briefe vom Spielplatz, handelt sogar vom Besuch der Ausstellung Jeff Koons. Was war das für ein großer Spaß. Und nun sind meine Mädels endlich alt genug, damit man sie mit so etwas konfrontieren kann.

Das haben wir dann gestern getan. Die Enttäuschung war riesig.

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Wer ist hier von wem gelangweilt und wäre lieber woanders?

Schon nach wenigen Minuten war nicht nur den Kindern, sondern auch uns die Langeweile ins Gesicht gemeißelt. Schlimmer noch: Gestern manifestierte sich einmal mehr der Eindruck, dass seit Monaten, gar Jahren, mich die Ausstellungen der Kunsthalle Bielefeld nur noch dazu inspirieren, nicht mehr hinzugehen.

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Die ganzen letzten Jahre der Kunsthalle in einem Titel. Also: Nicht-Titel.

Gestern habe ich dann versucht zu verstehen weshalb.

Kunst.

Hier drei Aspekte, die für mich Kunst zu Kunst machen:

  • Relevanz: Im begleitenden Film sagt Johannes Wald, einer der Künstler der Ausstellung, dass man um seine Kunst zu verstehen eventuell auch mal einen Blick in den Katalog werfen muss. Meisterschüler hin oder her. Kunst die nur dann relevant ist, wenn man sie erklären muss, ist irrelevant. Wer versucht Kunst zu verstehen, hat Kunst nicht verstanden. Ich möchte kein art-Abo besitzen oder ein Kunststudium absolviert haben müssen, um einen Besuch in der Kunsthalle genießen zu können. Ich bin Storyteller und aus diesem Anspruch heraus beurteile ich Kunst für mich. Kunst, die mir keine Geschichte erzählen kann, ist entweder Grafik (obwohl gute Grafik auch Geschichten erzählt) oder Krickel-Krackel. Es ist wie beim Poetry Slam: Relevanz, und damit so etwas wie Erfolg, entsteht genau in der Schnittstelle zwischen den Ansprüchen der Künstler und denen des Publikums. Bewege ich mich hingegen nur auf einem der beiden Pole, ist es entweder kreative Masturbation oder Anbiederung. Beides wird abgestraft.
  • Handwerk: Seit mehreren Ausstellungen werden in der Kunsthalle Bielefeld Dinge gezeigt, deren künstlerischer Anspruch sich mir nicht erschließen will. Für mich hat Kunst auch immer mit Handwerk zu tun. Erst wenn Handwerk und Intention verschmelzen entsteht Kunst. Ein in den Raum gelegtes Rohr kann man sicherlich mit Dingen wie dem „ausbalancieren der Energien“ so etwas wie eine Bedeutung aufzwängen. Vielleicht sogar Relevanz. Aber letztlich bleibt die dahinter stehende Geschichte nur beim Künstler. Es entsteht keinerlei Brücke zur „normalen Welt“. Als dann oben angesprochener Johannes Wald seine Tonklumpen in einen Satz mit Skulpturen der Antike nannte, wollte ich weinen.
  • Emotion: Meiner großen Tochter habe ich beim Betreten der Ausstellung versucht zu erklären, dass sie niemals versuchen darf, das Konkrete zu sehen, sondern dass sie die Faszination der Kunst und die Geschichten in den Werken ausschließlich im Fühlen finden wird. Gestern habe ich nichts gefühlt. Gegenprobe: Edward Hopper, einer meiner liebsten Künstler, stellt oberflächlich den amerikanischen Alltag der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts dar. Doch erst, wenn ich seine Gemälde auf mich wirken lasse, entsteht eine Verbindung zwischen dem Mann an der Staffelei und mir als Betrachter. Man könnte argumentieren, dass die in mir ausgelösten Gefühle bei „Whatness„, und einigen vorherigen Ausstellungen in der Kunsthalle, wie Zynismus, Gleichgültigkeit oder Ablehnung ja auch Gefühle sind. Aber das kann nicht Sinn der Sache sein. Und wenn doch, dann ist das nicht meine Kunst.

Kölle, wir kommen!

Jedenfalls tun wir jetzt folgendes: Wir haben unseren Kindern danach erklärt, dass man Kunst niemals der Kunst wegen für relevant oder „gut“ oder „wichtig“ erachten muss. Man darf sie einfach aus dem Bauch heraus ablehnen. Und eine Schwalbe macht noch keinen Sommer und ein Rabe noch keinen Herbst.

Deshalb besuchen wir mit den Mädels in den Sommerferien mal das Museum Ludwig in Köln. Da hängen dann zeitlose Meisterwerke von Dali. und Co. Ich bin mir sicher, dass die Langeweile dann ganz schnell in Ehrfurcht umschwenken wird.

So war das jedenfalls bei mir vor 30 Jahren.

Und es war der Beginn einer wundervollen Reise.

Auf geht es.

 


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